Mitwirkende

Korbinian Aigner (ca. 1960)

KORBINIAN AIGNER erblickt im Mai 1885 das Licht der Welt. Er stammt von einem großen Bauernhof in Hohenpolding bei Freising und entdeckte dort bereits als Kind seine Liebe zu Apfelbäumen. Nach dem Studium der Theologie, der Priesterweihe und seiner ersten Pfarrei wurde er wegen Äußerungen gegen das Nazi-Regime in das kleine bayerische Dorf Hohenbercha strafversetzt. Im Herbst 1939, einen Tag nach dem fehlgeschlagenen Attentat von Georg Elser auf Adolf Hitler, sagte Aigner dort im Religionsunterricht, dass er nicht wisse, ob es eine Sünde sei, was der Attentäter im Sinn hatte: „Dann wären halt vielleicht eine Million Menschen gerettet worden“. Von einer jungen Lehrerin denunziert, wurde er wenig später von der Gestapo verhaftet. Nach einem Prozess vor dem Sondergericht in München wurde er 1941 ins KZ Dachau überführt. Dort musste er im „Kräutergarten“ schwerste Zwangsarbeit leisten. Trotz dieser schweren Arbeit brachte Aigner die Kraft und den Mut auf, zwischen den Baracken neue Apfelsorten zu züchten. Diese Sorten nannte er „KZ1″, „KZ2“, „KZ3“ und „KZ4“. Auf dem berüchtigten Todesmarsch der Dachauer Häftlinge in Richtung Alpen konnte der Priester in Aufkirchen fliehen und kehrte nach Kriegsende in seine Pfarrei Hohenbercha zurück. Dort begann er in seiner freien Zeit naturgetreue Apfelbilder zu zeichnen, die 2012 – fast 50 Jahre nach seinem Tod – auf der Dokumenta in Kassel in einem eigenen Saal ausgestellt wurden. Die von Aigner in Dachau gezüchtete Apfelsorte „KZ3“ hat bis heute überlebt und wird weltweit als Erinnerungsbaum gepflanzt.


Dr. Helmut Hörger in der KZ-Gedankstätte Dachau (2023)

Dr. Helmut Hörger, wurde 1937 in Hohenbercha geboren. Als Sohn des Gastwirts sah der kleine Helmut den Pfarrer Aigner fast jeden Tag beim Stammtisch und der Priester schloss den Buben in sein Herz. Als Aigner 1939 von der Gestapo abgeholt wurde, befürchteten viele, dass er nie wieder zurückkehren würde. Doch wenige Tage nach Kriegsende stand Korbinian Aigner plötzlich in der Gaststube der Hörgers – ausgemergelt, in Holzschuhen und verdreckter Sträflingskleidung. Die meisten erkannten ihn nicht mehr, wohl aber der 8-jährige Helmut – sogar nach all den Jahren im KZ. Korbinian Aigner machte Helmut zu seinem Ministranten, kümmerte sich um ihn wie ein väterlicher Freund, ermöglichte ihm die höhere Schule und später das Studium. Eines Tages fuhr er mit dem damals 13-Jährigen nach Dachau, zeigte ihm das Konzentrationslager, die Baracken und den Ort, an dem er die Apfelbäume zwischen den Baracken gezüchtet hatte. Auf dem Appellplatz er erinnerte er sich an die Grausamkeiten, deren Zeuge er wurde und schilderte seinem Ministranten die unmenschlichen Qualen, die seine Mithäftlinge erdulden mussten.


Dr. Gerd Holzheimer ist Initiator und Protagonist dieses Films. Als Sohn eines Landvermessers setzt er das Werk seines Vaters als Schriftsteller und literarischer Landvermesser fort. Holzheimer studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie und promovierte 1997 mit einer Studie „Zur Poetik des Gehens in der Literatur“ zum Doktor der Philosophie. Holzheimer ist künstlerischer Leiter der Veranstaltungsreihe „Literarischer Herbst“ und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur im Bayern“. Außerdem ist er Beirat und Mitglied namhafter Literaturstiftungen und -Gesellschaften und wurde vielfach mit Kultur- und Literaturpreisen geehrt.

In dem Film EIN STUMMER HUND WILL ICH NICHT SEIN übernimmt Gerd Holzheimer die Rolle des Spurensuchers, Interviewpartners und Brückenbauers. Dabei will er sich leiten lassen von der großen, verbindenden Kraft des Apfelbaums als einem der großen Ur-Symbole der Menschheit.

Dr. Gerd Holzheimer: „Der Apfel als kulturübergreifendes Symbol steht für die Liebe, für den Baum der Erkenntnis, in der christlichen Mythologie allerdings auch als Symbol für den Sündenfall: in all diesen Ambivalenzen ist er ein wiederkehrendes leitmotivisches Bild, um das sich die Geschichten um Korbinian Aigner und seine Mithäftlinge ranken. Der Priester liebt ihn einfach, den Apfel, und er weiß als Pfarrer und Mensch, dass die Liebe der Pflege und der Sorge bedarf.“


Karteikarte von Karl Wacker Horvarth des KZ Dachau

KARL WACKER HORVARTH war einer von mehr als 500.000 Roma und Sinti, die in den Konzentrationslagen ermordet und von der Öffentlichkeit vergessen wurden. Die Winter verbrachte Karl Wackers große Familie in ihrem Wagen in der österreichischen Hauptstadt Wien, die Sommer reisten sie durchs Land. 1941 wurde der Familienvater von der Gestapo verhaftet und nach Dachau deportiert. Seine ganze Familie kam zwei Jahre später in das Konzentrationslager Birkenau. Karl Wacker wurde im KZ Dachau zur Zwangsarbeit im „Kräutergarten“ herangezogen, wo er eines Tages bei der schweren Arbeit erschöpft zusammenbrach. Kurz darauf wurde Horvath mit einem „Invalidentransport“ nach Schloss Hartheim bei Linz deportiert, einer Tötungsanstalt für körperlich und geistig behinderte Menschen. Die dortigen Gaskammern dienten ab 1941 auch dem Mord nicht mehr arbeitsfähiger, österreichischer Häftlinge aus den KZ-Systemen Dachau, Mauthausen-Gusen und Ravensbrück. Karl Wacker Horvarth starb dort am 28. November 1942.

Von der Großfamilie der Horvarths mit über 200 Menschen überlebten nur sechs – unter ihnen Karl Wackers Sohn Johann „Mongo“ Stojka.


Johann „Mongo“ Stojka wurde 1929 als Sohn von Wacker Horvarth und seiner Frau Sidi vom Stamm der Lovara geboren. Die Familie fuhr in Pferdewägen übers Land und führte das traditionelle, freie Leben der Roma und Sinti. Kurz nach der Verhaftung des Vaters wurde der 12-jährige „Mongo“ mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Deutschland deportiert. Als einer der wenigen seiner Familie überlebte er die Konzentrationslager. Nach der Befreiung wurde er Teppichhändler und war als Gipsy-Musiker bekannt. Viele Jahre konnte Mongo Stojka nicht über seine Zeit in den KZs sprechen. Erst seine Töchter Doris und Sissi und Sohn Harri Stojka und überredeten ihn zu einem Interview für die „Shoa Foundation“. Danach schrieb Johann Stojka sein Buch „Papierene Kinder“, in dem er neben den Erinnerungen an den „Porajmos“ (Romanes-Wort für den Völkermord der Nazis) sehr persönliche Einblicke in das traditionelle Leben der Roma und Sinti gewährte.


Harri Stojka wurde 1957 in Wien geboren. Er gilt als einer der wichtigsten Jazz-Musiker in Österreich und wurde mit seinem „Gipsy Soul“ weltbekannt. Als Nachfahre einer traditionsreichen Roma-Dynastie setzt sich Harri aktiv für die Kultur der Sinti und Roma ein. In dem Film EIN STUMMER HUND WILL ICH NICHT SEIN werden er und seine beiden Schwestern Doris und Sissi Stojka über die ehemals große Familie, die im KZ ermordeten Großeltern, über ihren Vater Johann und dessen Geschwister berichten. Außerdem wird Harri Stojka voraussichtlich den Teil der Filmmusik übernehmen, der in Verbindung mit dem Genozid der Nazis an den Roma und Sinti steht.


Nick Hope wurde 1924 als Nikolai Choprenko in der Ukraine geboren. Er war das älteste von sieben Kindern. Im Sommer 1942 geriet der 17-jährige Nikolai in die Fänge der deutschen Besatzer. Sie verschleppten ihn zur Zwangsarbeit nach Bayern. Dort musste er täglich zwölf Stunden in den Rüstungsbetrieben des Wolfratshauser Forstes (das heutige Geretsried) arbeiten. Als 1943 eine schwere Explosion in der Fabrik Tote und Verletzte forderte, suchte die Gestapo Schuldige – und verdächtigte irrtümlich Nikolai. Die Nazis brachten ihn nach Dachau, wo er zu verschiedenen Zwangsarbeiten herangezogen wurde, u.a. im BMW-Werk in München-Allach, bis die SS ihn und andere Lagerinsassen vor den heranrückenden Amerikanern am 26. April 1945 auf den sogenannten Todesmarsch in Richtung Süden schickte. Seine Befreiung erlebte er, nur noch 40 Kilogramm wiegend, bei Wolfratshausen. Schwer krank kam er in das DP-Hospital in Gauting und überlebte. Viele seiner Leidensgenossen dort schafften dies nicht. Die verstorbenen jüdischen Ex-Häftlinge wurden auf dem in Gauting damals eingerichteten „Jüdischen Friedhof“ beigesetzt (siehe unten!). 1961 wanderte Nikolai mit seiner Familie in die USA aus und änderte seinen Namen in Nick Hope. Bis heute kommt Nick, der 2024 seinen 100. Geburtstag feiert, nach Dachau.


Markus Greif ist Leiter des Schüleraustauschs am Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting mit der „Givat Brenner Regional High School“ in Israel. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Archäologie an den Universitäten München und Edinburgh arbeitete er ein Jahr am Historischen Kolleg München für den israelischen Historiker und damaligen Forschungsstipendiaten Prof. Dr. Aharon Oppenheimer, im Anschluss daran drei Jahre für das Deutsche Archäologische Institut, bevor er nach dem 2. Staatsexamen seine Tätigkeit am Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting aufnahm und dort die Fächer Deutsch, Geschichte, Politik und Gesellschaft, Ethik und Archäologie unterrichtet. Nach Funktionen als Fachbetreuer und Oberstufenkoordinator ist der Studiendirektor heute als Mitarbeiter in der Schulleitung tätig und betreut den Schüleraustausch mit der israelischen Partnerschule im Kibbuz Givat Brenner. Die sich aus dem Schüleraustausch ergebende Jugendbegegnung mit aktiver Erinnerungsarbeit und einer intensiven Beschäftigung mit Israel und der jüdischen Geschichte zu verbinden, ist die Leitlinie seines jeden Austausch vorbereitenden P-Seminars.


Michaela Cohen wurde 1970 in Israel geboren und ist Lehrerin in der „Givat Brenner Regional High School“ in einem Kibbuz südlich von Tel Aviv – der Partner-Schule des „Otto-von-Taube-Gymnasiums“ in Gauting. Sie selbst hat deutsche Wurzeln und zusammen mit Markus Greif in den vergangenen Jahren den Austausch von israelischen und deutschen Schülern organisiert. Im Jahr 2024 wird es für sie und die Schüler ein schwieriges Austausch-Jahr werden, nachdem am 7. Oktober 2023 zehn ehemalige Schülerinnen und Schüler der Givat Brenner High School“ bei dem Angriff der Hamas ermordet wurden. Dennoch hat sie vor, mit einer Schülergruppe im Frühjahr nach Gauting zu kommen, um hier die Arbeit auf dem Friedhof und in den Archiven fortzusetzen.


Sowie